Mein Gesicht fühlt sich von innen so müde an. Für Wingmenschen sind die Online Expert Days, also die OXD, also die OMX inklusive der SEOkomm, also die OX – Hashtag #hashtaggability – also naja jedenfalls Salzburg, das ist für Wingmenschen mit An- und Abreise ja immer vier Tage lang die helle Aufregung. Und meine ausgedörrten Augen, die gerade hinter mein müdes Gesicht zurücktrocknen, bäumen sich im ICE nach Hamburg blinzelnd noch einmal auf. Denn Du sollst ja erfahren, wie die Scheibe der Realität aussah, die ich mir rausgeschnitten habe. Meine Highlights:
Gespräche mit Menschen! Ich splashe ja durch viele freudvolle Begegnungen und Smalltalk-Pfützen auf Konferenzen. Aber mit manchen™ geht es sofort und inmitten des Trubels in die Tiefe. Das ist der Trog, aus dem ich saufe. Danke ❤️
Bild: Jolle, Joanna, Susanne, Juliane
Behrend on the dancefloor ist ein steter Quell der Freude. Der einzige Moment, bei dem er mehr aus sich rausgegangen oder eher der Zimmerdecke entgegen helicoptert ist: Jemand™ auf der Bühne bezeichnet Tracking ohne Consent für 100% Daten als “Graubereich”. Behrend möchte, dass Du weißt:
“Very much kein Graubereich. Sondern illegal und moralisch frevelhaft.”
Welche klugen Thesen zur Entwicklung von Technologien, Märkten und unserer Gesellschaft Pip Klöcker hat, kannst Du ja auch im Doppelgänger Podcast hören. Zum Beispiel:
- Es mag eine KI-Blase platzen, aber von den Investitionen in die Infrastruktur profitieren wir dennoch über Jahrzehnte hinaus.
- Persuasive AI wird Targeting ablösen. Erschreckend. Vor allem politisch.
- Mit Satellitenprojekten hat Amazon nicht nur die Möglichkeit, Internet- und Kabeldienstleister zu werden (und sich gleich zwei neue Gigamärkte zu erschließen). Dann ist auch “Full Circle Marketing” möglich. Denn dann weiß Amazon nicht nur, was Du kaufst, sondern auch, welche Medien Du konsumierst. Warum also nicht direkt beim Streaming auf Dich zugeschnittene Produkte einblenden?
- Aktuell scheitern Agents an unseren schlechten Websites. (Deshalb verstehen wir bei Wingmen Accessibility Audits auch als perfekte Vorbereitung auf das Agentic Web).
- Affiliate Marketing wird zum Revenue Share, wenn sich Bots über Protokolle wie MCPs direkt miteinander austauschen.
- In zehn Jahren wird “eine Website betreiben” so sein, wie “einen Katalog verschicken.”
Hauptsächlich freue ich mich aber immer, wenn jemand in Chino und Weste nach 20 Minuten seriösem Vortrag Überleitungen bringt wie: “Die Firma, die sich in Sachen KI bislang komplett ins Bett geschissen hat, ist ja Apple.”
Bastian Grimm hat unser Jahr in KI abgerissen und ebenfalls nach vorne geblickt. In seiner SEOkomm-Keynote manifestierte sich für mich das Grundgefühl der gesamten Konferenz: Wir sind mittendrin im Hypecycle. Auf Linkedin sind weiterhin die meisten hysterisch, wir haben auch Angst, aber viele von uns sind raus aus der Schockstarre und arbeiten still an der operationalisierbaren Zukunft. Ein paar Takes von Basti:
- Content konkurriert nicht mehr Seite vs. Seite. Sondern Absatz vs. Absatz.
- Stitch with Google lässt ahnen: Websites inklusive der SERPs werden künftig dynamisch – on the fly – personalisiert zusammengebaut. Have fun, Monitoring Tools 😏
- Der Browser wird DAS Betriebssystem.
- Mit dem Agentic Web und Prompt Injection wird der Browser zum Angriffsvektor.
- Die meisten Workflows auf Linkedin sind nicht “agentic”, sie sind maximal “Automatisierung”. Es fehlt Autonomie. Es fehlt die Zielvorstellung.
- Die Zukunft liegt in Daten, Protokollen, Schnittstellen und Maschinenlesbarkeit.
- Mit dem “Alignment-Paradox” wird Vertrauen noch wichtiger (Dingdong EEAT).
- Agenturen werden vom Lieferanten zum Risikopartner.
Wie großartig Susanne Trautmann mit ihrer Liebe für Go-to-Market-Strategie und ihren selbstentwickelten Canvas-Modellen ist, hab ich Dir ja hier schon erzählt. Strukturiert die Learnings aus Salzburg in den Alltag rüberretten? In überschaubarer Zeit aus den anderen Abteilungen Verbündete machen? Dafür gab es diesmal direkt das OMX Impact Canvas als Karte in die Hand. Vorsicht: Susannes Ansatz kann in der Sinnkrise zum beiläufigen Verpuffen von Stolpersteinen führen. Was aber am meisten nachhallt: Susannes souverän verletzliche Bühnenpräsenz. Johans Worte:
“Nee, das ist ja auch unfair. Sich singend auf die Stage 1 stellen, die ganze Zeit die Folien weiterklicken, ohne die Orientierung zu verlieren oder auch nur ein einziges Mal auf den Monitor zu schielen. Und dabei Strategie anwendbar schärfen. Das ist unfair.”
Christiane Kunisch: Klug. Hohe Energie. Und für mich einfach wohltuend, unbehelligt vom AI-Zirkus so richtiges Schwarzbrot für den Arbeitsalltag aufgetischt zu bekommen. Die Chrome DevTools. Niedrigschwellig eingestiegen und dann richtig tief reingenerdet. Bis zum Chrome DevTools MCP-Server lokal in Cursor, mit dem Du:
- SEO-Tests automatisieren,
- statt Empfehlungen direkt den Fix im Code schreiben oder
- fehlendes Markup ergänzen lassen kannst.
Alexander Holl: Wenn wir auf die neuen Dashboards von AI-Monitoring-Tools wie Peec AI, Rankscale oder Profound blicken, starren viele Kennzahlen zurück. Deren Bedeutung und Relevanz für die eigene Strategie drängen sich nur selten direkt auf. Deshalb finde ich es eine ganz fantastische Idee, sich beim OG der Webanalyse, Avinash Kaushik (Occam’s Razor) zu bedienen, um unsere Metriken anhand dieses Kriterienkatalogs auf Nützlichkeit abzuklopfen. Hier Alexanders Blick auf die Sistrix Sichtbarkeit:
Sarah Sunderbrink: Storytelling über Krisenmanagement auf Social in Form eines Märchens mit Königin Mira Pixel von Scrollgard. Stark. Unterhaltsam. Handfeste Erfahrungswerte aus der – und Empfehlungen für die – Praxis. Und dann landet sie einfach jeden ihrer wunderschönen Sätze smooth auf dem Rollfeld ohne einen einzigen Holperer. Bucht sie bitte einfach. Für die Bühne. Für Eure Social Community. Fürs timeboxed Partymachen. Profi einfach.
Stefan Wacker entwickelt Kurzvideo-Showformate wie “Sepp, was machst du?”, mit denen seine Protagonist:innen organisch auf Social durchbrechen. Seine Tipps für Dich? Followerzahlen sind egal. Targeting ist egal oder genauer: Dein Content ist Dein Targeting. Jede Sekunde zählt, also leg immer wieder “Joy-Impulse” nach. Dreh einmal im Monat einen Tag lang 40 Videos und ignoriere dann entspannt das Trend-Hopping-Game. Sonst wirst Du irrelevant für Deine Zielgruppe.
Robert Seeger ist ja immer gute Unterhaltung. Und wie Stefan ebenfalls der Meinung, dass man sich das Dasein als Algorithmus-Marionette besser spart. Und stattdessen lieber spürt. Minutenlanges Vorlesen aus dem Reisekatalog kann genau der richtige Video-Content für Deine Zielgruppe sein. Tango erfahren bei einer blinden Tanzlehrerin statt Tanzschrittabfolge im Aerobic-Duktus. Dann wird aus Fear Of Missing Out in FOMO: Fun Of Making Out.
Robin Heintze, deutsche Ryan Holiday, setzt Stoizismus, “Getting Things Done” und die “Not to do list” gegen “Marketing ADHS”, “Shiny Object Syndrome” und FOMO-Alarm. Mehr Tiefe, weniger Breite! Wie er es ohne Lachanfall schafft, seine mit dramatischer Musik unterlegten Intro- und Outro-Predigten zu halten, ist mir schleierhaft.
Nico Erpel-Haase von Check 24 hat in seinem Entitäten-Vortrag klar die Entwicklung von Keywords hin zu Bedeutung im Vektorraum aufgezeigt. Dazu ein Prompt in neun Schritten, der Dich bei der Optimierung einer Kategorieseite unterstützt. Welche inhaltlichen Konzepte sind zu wenig, welche zu viel vertreten? Treffen wir so die Suchintention? Was macht der Wettbewerb? Nico lässt sich nach jedem der neun Schritte den Output vorlegen, damit Menschen ein Vergaloppieren der KI bemerken und kontrollieren können. Ich werde ja immer skeptisch bei KI-Briefings à la “Stell dir vor, du bist Google…”. Aber der Prozess sah sehr solide aus und es sind definitiv die richtigen konzeptionellen Gedanken eingeflossen.
Kevin Indig hat mir als Party-DJ nicht nur unabgesprochen Major Lazer durch die Boxen geschossen (Danke), sondern sich auch mit einer Folie auf die SEO-Bühne gestellt, in der er damit angibt, wie viel Traffic seine Kunden in einem Projekt verloren haben. Bold! Aber auch: Decoy-Alarm. Es folgte der Flex mit den drastisch gestiegenen Conversions. Seine Analysen, zum Beispiel zum “Konzept der finalen Antwort” liest Du am besten direkt in Kevins Growth Memo Newsletter nach.
Die Mischung aus Entspanntheit und Energielevel bei Björn Darko ist ja auch von einem anderen Stern. Den ganzen Tag Podcasts schrubben und dann mal eben rüber auf die Bühne, um die letzte Session des Tages zu füllen. Als spontane Vertretung. Er hat die Arbeit seiner Kollegin Nadine Jungbluth vorgestellt (Masterclass in “How to give credit like a boss”).
Dem Team ist es gelungen, Google Discover Traffic auf einem Marktplatz für Immobilien einzusammeln und so den Traffic-Rückgang aus Organic zu kompensieren. Hör am besten in die SEOPRESSO-Folge rein, wo die Zwei sich darüber austauschen. Spannend daran für mich:
- Google Discover kann auf Marktplätzen oder Ecommerce-Seiten funktionieren, nicht nur bei Publishern.
- Beim Projekt sind Redakteur:innen mit journalistischer Erfahrung am Werk, nicht SEOs.
- 13 Leute stellt AVIV für die Redaktion ab.
- Der Content wird wie andere Artikel einfach im Magazin veröffentlicht.
- Die Themen haben Immobilienbezug: Erbrechtsteuer, Tiny Houses… Beim Konkurrenten funktionieren sogar Rezepte aus der Region.
- Je mehr eigene Daten, desto leichter fällt automatisierter Content.
- Der Traffic bringt so gut wie nichts mit Blick auf Conversions/das Kerngeschäft, stärkt aber die Marke.
- Themen-Cluster wie “Tiny Houses” umfassen “nur” rund ein Dutzend Artikel, aber es wird “republished”, bis der Arzt kommt.
- Wenn der Discover-Traffic abnimmt, kommt ans Ende der URL die nächsthöhere Ziffer. Redirect – und die nächste Welle kann kommen.
Es gab natürlich mehrere Fragen zur Nachhaltigkeit der Strategie:
- Republishing widerspricht Googles Richtlinien wie den Guidelines für Helpful Content (Originalität? Nur das Datum aufgefrischt? Praxis nur für Suchmaschinen?).
- Mit der Erschließung neuer Themen und anderer Content-Formate läufst Du Gefahr, Dich von der Kernkompetenz (Thema und Suchintention transaktional → informational) wegzubewegen und Deine Domain zu verwässern.
Björns Antwort:
”Solange es schneit, fahre ich Schlitten.”